Die ehemalige Residenz der Würzburger Fürstbischöfe, 1720-1744 im Rohbau entstanden und bis 1780 fertig ausgestattet, gehört zu den bedeutendsten Schlossanlagen des Barock in Europa. Der erste Bauherr, Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn, übertrug die erste Planung dem damals noch jungen und unbekannten Architekten Balthasar Neumann. Bis zur Vollendung des gewaltigen Baus diente der begabte Architekt auch dem Bruder und zweiten Nachfolger Johann Philipps, Friedrich Carl von Schönborn, sowie den beiden folgenden Würzburger Fürstbischöfen. Seine Kosten beliefen sich auf etwa 1,5 Mio Gulden - bei einem Gulden Wochenlohn für einen Taglöhner eine gewaltige Summe.
Die Residenz als Gesamtkunstwerk
In genialer Weise vereinigt der Bau in sich die verschiedenen Strömungen der Baukunst nicht nur des deutschen Barock, sondern auch der französischen Klassik und des Wiener Reichsstils. Entstanden ist dabei ein Gesamtkunstwerk von besonderer Prägung und Eigenart. Im Wesentlichen ist dies die Leistung von Balthasar Neumann, der nicht nur die oft divergierenden Wünsche der kunstverständigen Familie Schönborn auf einen Nenner zu bringen hatte. Er musste auch die als Anregung, Konkurrenz und Korrektur angeforderten Entwürfe der führenden zeitgenössischen Architekten wie Maximilian von Welsch, Lukas von Hildebrandt, Germain Boffrand und Robert de Cotte auswerten und teilweise in die Planung einbeziehen. Von zeitgenössischen Bauten unübertroffen blieb die innere Ausstattung der Residenz Würzburg. Drei Generationen von Künstlern und Kunsthandwerkern aus ganz Europa schufen hier die eigenständige Spielart der Würzburger Hofkunst. Die Glanzlichter - und fast auch schon den Schlusspunkt - der Innendekoration setzte der Venezianer Giovanni Battista Tiepolo mit seinen 1751-1753 entstandenen Deckenfresken im Kaisersaal und im Treppenhaus. Doch kaum fertig gestellt, verlor die Haupt- und Winterresidenz der Würzburger Fürstbischöfe ihre Funktion. Mit der Säkularisation büßten die Bischöfe 1802 ihre weltliche Macht ein und 1814 wurde Würzburg dem noch jungen Königreich Bayern eingegliedert. Nun diente der Bau der königlichen Familie der Wittelsbacher als Nebenresidenz. 1821 kam Kronprinz Luitpold hier zur Welt. Nach dem Ende der Monarchie in Bayern konnte die Residenz dann seit 1921 als Museum der Schlösserverwaltung von jedem Kunstinteressierten besichtigt werden.
Die Gewölbe hielten dem Feuersturm stand
Am 16. März 1945, wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, zerstörte der verheerende Luftangriff auf Würzburg die Bebauung der Altstadt zu 90 Prozent. Auch die Residenz brannte fast völlig aus. Vom Dachstuhl abwärts fraß sich das Feuer durch Holzdecken und Fußböden, und was an Einrichtungsgegenständen und Wandverkleidungen nicht hatte ausgelagert werden können, wurde ein Raub der Flammen. Nur das Herzstück der Residenz, Vestibül, Gartensaal, Treppenhaus und Kaisersaal mit den Fresken Tiepolos, blieb weitgehend verschont. Neumanns Steinwölbungen hielten hier dem brennend herabstürzenden Dachstuhl stand. Doch wegen fehlender Dächer entstanden in der Folgezeit weitere Schäden durch eindringende Feuchtigkeit. In der Hofkirche fielen so beispielsweise die Deckenfresken von Rudolph Byss, trotz intakter Wölbung, großenteils noch den Spätfolgen des Brandes zum Opfer und mussten mühsam wieder rekonstruiert werden. Der inzwischen bewältigte Wiederaufbau der Residenz, der insgesamt rund 39 Millionen DM kostete, stellt auch kunsthandwerklich eine beachtenswerte Leistung dar. Die große Zahl der geretteten Einrichtungsgegenstände gab den Anstoß zur weitgehenden Wiederherstellung der Kaiserzimmer an der Gartenfront und der Ingelheimzimmer im Nordblock. Als Abschluss des Wiederaufbaus wurde 1987 das aufwendig in seiner besonderen Hinterglas-Maltechnik rekonstruierte Spiegelkabinett wiedereröffnet. Doch um den Bestand zu sichern, müssen die Instandhaltungs- und Restaurierungsarbeiten in einem so umfangreichen Baukomplex immer weiterlaufen.
Das weltberühmte Treppenhaus mit Tiepolos Fresko
Der glücklicherweise original erhaltene Hauptanziehungspunkt der Würzburger Residenz ist das viel gerühmte Treppenhaus. Im Gegensatz zu den Wendeltreppen mittelalterlicher Schlösser und den schon aufwändigeren, aber räumlich immer noch beschränkten Stiegenanlagen der Renaissancepaläste wurde das Treppenhaus im Barock mehr und mehr als prunkvoller Empfangsraum gestaltet. Hier sollte das Emporsteigen zu den Gemächern des Herrschers als festliches Raumerlebnis in Szene gesetzt werden. Einen Höhepunkt dieser baulichen Entwicklung verkörpert das von Balthasar Neumann entworfene und eingewölbte Treppenhaus der Würzburger Residenz. Das riesige stützenfrei Muldengewölbe war mit seinen Ausmaßen von 18 mal 30 Metern damals auch eine bautechnische Meisterleistung Neumanns. Der vom Fürstbischof eigens aus Venedig nach Würzburg berufene Giovanni Battista Tiepolo schmückte es 1752/53 mit der Darstellung der vier Weltteile. Mit höchster malerischer Delikatesse stellte er die exotischen Zauberwelten der durch fürstliche Frauengestalten personifizierten Erdteile "Amerika", "Asien" und "Afrika" dar. Den Höhepunkt der Komposition bildet die Allegorie der "Europa" mit dem Würzburger Hof als Hort der Künste. Das rund 600 Quadratmeter messende Gemälde, das sich mit dem antiken Götterhimmel im Zentrum zu einem Ganzen zusammenschließt, ist das größte zusammenhängende Fresko, das je gemalt wurde. Die zweite Hälfte der Treppe führt genau auf den Abschnitt des Freskos zu, der die Allegorie unseres Kontinents enthält. Vor teilweise noch im Bau befindlichen Prunkfassaden thront die Frauengestalt der Europa. Ein Globus zu ihren Füßen verweist auf Europa als Königin der ganzen Welt. Ihr zu Seiten erscheinen der Stier als Sinnbild für den Erdteil sowie Pagen mit Krummstab und Kreuz, die auf das Bistum Würzburg als Mittelpunkt der Künste und Wissenschaften anspielen. Um die thronende Frauengestalt haben sich die Allegorien von Malerei (als Frau mit Palette), Musik (repräsentiert durch eine Hofkapelle) und Bildhauerei versammelt. Der Mann im weiten ockergelben Umhang, durch die Attribute zu seinen Füßen (Büste, Relief, Hammer) als Bildhauer charakterisiert, ist vermutlich ein Portrait des Stuckateurs Antonio Bossi. Vorne sitzt auf einem Kanonenrohr, in der Uniform eines Obersten der fränkischen Kreisartillerie und mit gepuderter Perücke, der Architekt Balthasar Neumann. Aus der linken Gewölbeecke blickt Giovanni Battista Tiepolo selbst mit rotbrauner Kappe prüfend auf sein Werk. Neben ihm steht sein Sohn Domenico mit weiß gepudertem Haar. Die Allegorien der Künste werden also durch Künstler der Würzburger Residenz dargestellt und ergänzt. Tiepolo verließ hier den Charakter der reinen Allegorie. Das Fresko wird zum historischen Bericht, will den europäischen Rang des Kunstschaffens des Fürstbistums Würzburg verewigen. Dazu passend wird über der thronenden Europa das Bildnismedaillon von Tiepolos Auftraggeber, Fürstbischof Carl Philipp von Greiffenclau, durch die Allegorie des Ruhmes und einen weiteren Genius aus der irdischen Zone emporgehoben in den olympischen Götterhimmel, wohin der Götterbote Merkur den Weg weist.
Kaisersaal und Kaiserzimmer
Die großartige Raumfolge der Residenz mit ihrem Auftakt in Vestibül und Gartensaal führt uns nach dem Treppenhaus durch den Weißen Saal bis in den ebenfalls von Tiepolo freskierten Kaisersaal. Hier ist die Verbindung der Geschichte Würzburgs mit der Reichsgeschichte thematisiert: Ein Fresko zeigt die Hochzeit der Prinzessin Beatrix von Burgund mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Würzburg 1156, ein zweites die Belehnung des Würzburger Fürstbischofs mit dem Herzogtum Franken durch Kaiser Barbarossa 1168. Im Deckenfresko wird allegorisch nochmals die Braut Beatrix in Apollos Sonnenwagen zum Kaiserthron geleitet. Während die gewölbten Säle im Mittelbau der Residenz die Kriegszerstörungen 1945 wie durch ein Wunder überstanden, brannten Süd- und Nordblock weitgehend aus. Die gerettete bewegliche Ausstattung gab hier den Anstoß zur Wiederherstellung. Heute zeigen die restaurierten und teilrekonstruierten Räume wieder einen einmaligen Querschnitt durch die dekorativen Stilrichtungen des 18. Jahrhunderts vom Régence über das Würzburger Rokoko bis zum Frühklassizismus. Dazu gehören die Kaiserzimmer, die an der Gartenfront zu Seiten des Kaisersaals in einer 168 m langen Flucht aufgereiht sind, sowie die unter Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (Regierungszeit 1755-1779) geschaffenen Raumdekorationen im Fürstensaal und in den versilberten Ingelheimzimmern im Nordblock.
Eine Meisterleistung der Rekonstruktion
Das SpiegelkabinettDie Rekonstruktion des kriegszerstörten Spiegelkabinetts stellte eine besonders schwierige Aufgabe dar. Die wandfeste Ausstattung des originalen Spiegelkabinetts war 1740-1745 als eine der kostbarsten Innendekorationen entstanden. Das Konzept für die figürlichen Darstellungen und den ornamentalen Dekor der Spiegelwände lieferte der vielseitige Hofbildhauer und Zeichner Johann Wolfgang van der Auwera; ausgeführt wurden die Hinterglasmalereien von Johann Thalhofer, Anton Joseph Högler und Georg Anton Urlaub. Von deren Kunstfertigkeit zeugen heute nur noch die ebenfalls bemalten und teilverspiegelten Tischplatten der Konsoltische, die ausgelagert und damit gerettet werden konnten. Da ein Ausbau der direkt auf die Mauern versetzten Glas- und Spiegelscheiben technisch nicht möglich war, wurden diese 1945 durch Kriegseinwirkungen vollständig zerstört. Im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Spiegelkabinetten des 18. Jahrhunderts, in deren Wand- und Deckendekorationen lediglich einzelne Spiegel eingesetzt waren, bestand in Würzburg die gesamte Wandverkleidung aus Glasplatten, die teilweise verspiegelt, teilweise in einer speziellen Technik der Hinterglasmalerei präpariert waren. Die Hinterglasmalereien, deren Spiegelungen und die Spiegelbilder der Betrachter verwoben sich - zumal bei Kerzenschein - zu einem sinnenverwirrenden Gesamteindruck, der diesem Interieur den Ruf eines einmaligen Raumkunstwerks eintrug. In mehr als neunjähriger Rekonstruktionsarbeit taten Kunstmaler, Stukkateure, Vergolder und Faßmaler ihr Bestes, damit die Besucher jetzt seit 1987 die einst überwältigende Wirkung dieses vielleicht originellsten und selbständigsten Raumkunstwerks des Würzburger Rokoko wieder nachempfinden können.
Der Hofgarten
Nachdem die Bauarbeiten an der Residenz im wesentlichen abgeschlossen waren, wurde der Hofgärtner Johann Prokop Mayer (1735-1804) vom damaligen Fürstbischof Adam Friedrich von Seinsheim (reg. 1755-1779) beauftragt, das im Verhältnis zu dem riesigen Gebäudekomplex eher kleine Areal des Gartens anzulegen. Mayer teilte das kompliziert geschnittene und zu den Bastionen stark ansteigende Gartengelände geschickt in einzelne, symmetrisch gegliederte und in sich geschlossene Gartenpartien (Ostgarten, Südgarten, Gärtnerei) auf. Ganz im Stile des Rokoko stattete er diese mit einer Fülle von geschnittenen Formobstbäumen, Hecken, Spalieren, Kübelpflanzen und Laubengängen aus. Der sogenannte Ostgarten liegt in der Verlängerung der zentralen Mittelachse der Residenz und steigt über drei Terrassen bis zum Scheitel der dort gelegenen Bastion mit ihren massiven Stützmauern an. Im Zentrum des Südgartens liegt ein rundes Wasserbassin mit einem großen Monolithen aus Tuffstein über dem auch in den Wintermonaten ein kleiner Springstrahl aufsteigt. Der Hofgarten wurde bereits 1776 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In den Parterres des Ost- und des Südgartens werden seit einigen Jahren die rahmenden Blumenrabatten wieder nach historischem Vorbild bepflanzt und in dem zwischen 1998 und 2000 wiederhergestellten Küchengarten unterhalb der Orangerie sind wieder junge Formobstbäume zu sehen, die in den kommenden Jahren nach alten Schnittmethoden gezogen werden sollen. Zur Stadt hin ist diesen streng geometrischen Gartenteilen eine kleine landschaftliche Partie aus dem frühen 19. Jahrhundert vorgelagert.
Was gibt es sonst noch zu sehen?
Der Rundgang durch die Residenzräume schließt auch die im Nordblock untergebrachte Staatsgalerie mit ihrer Venezianersammlung ein. Separat zugänglich ist das Martin von Wagner-Museum der Universität Würzburg, das sich mit seiner Antikensammlung, der Gemäldegalerie und der Graphischen Sammlung im Südblock neben der Hofkirche befindet. Die im Südwesteck der Residenz gelegene Hofkirche, ebenfalls von Neumann entworfen, stellt mit ihrer prachtvollen Ausstattung und zwei Altargemälden von G. B. Tiepolo einen der vollendetsten Kirchenräume der deutschen Barockarchitektur dar. Welchen Schatz diese gewaltige Palastanlage und ihre durch eine ganze Schar europäischer Künstler geschaffene Ausstattung heute darstellt, mag neben dem Strom von über 300 000 Besuchern jährlich auch die Tatsache belegen, daß die UNESCO die Würzburger Residenz mitsamt Residenzplatz und Hofgarten 1981 als eines der ersten deutschen Ensembles in die Liste der "Weltkulturgüter" eintragen ließ.